Stadtumbau
Das äußere Erscheinungsbild der Stadt Schwedt/Oder hat sich in den letzten Jahrzenten grundlegend verändert. Als moderner Industriestandort entwickelte sich die Stadt als Zentrum der Papier- und Chemieindustrie und als Musterstadt der sozialistischen Stadtentwicklung. Die Stadt wuchs rasant von rund 7.000 Einwohnern in den 1950er-Jahren bis 55.000 Einwohner im Jahr 1980.
Der Anstieg der Bevölkerungszahl machte weitergehende städtebauliche Planungen erforderlich. Nach dem Um- und Neubau der größtenteils kriegszerstörten Innenstadt mit Mitteln des industriellen Wohnungsbaus dieser Zeit zeigte sich Schwedt/Oder in einem neuen städtebaulichen und architektonischen Gesamtbild.
Die Stadt wächst
Mit der weiteren industriellen Entwicklung ab den 1970er-Jahren setzte die extensive Stadterweiterung im Bereich der Oberen Talsandterrasse (Wohngebiete Talsand, Am Waldrand und Kastanienallee) ein. Dies führte zu einer bis heute fortwirkenden Zweiteilung der Stadtstruktur. Das Siedlungsbild der Oberen Talsandterrasse wurde deutlich von Gebäuden der Großplattenbauweise geprägt, die nach den städtebaulichen Richtwerten, den politischen Zielvorstellungen sowie der typischen baulichen Technologie dieser Zeit errichtet wurden. Die Anzahl der Wohnungen in Schwedt/Oder erhöhte sich von 4.000 im Jahr 1960 auf 22.000 im Jahr 1989.
Der Stadtumbau beginnt
Die politische Wende 1989 und der einsetzende Strukturwandel gingen mit einem hohen Verlust an Einwohnern insbesondere ausgelöst durch Abwanderung einher. Die erfolgreiche Privatisierung der Großindustrie in Schwedt/Oder (Petrolchemie- und Papierindustrie) hatte trotzdem einen erheblichen Stellenabbau zur Folge. Die dadurch ausgelösten Einwohnerverluste führten zu einem hohen Wohnungsleerstand. Der Bevölkerungsrückgang konzentrierte sich vor allem in den neuen, hochverdichteten Stadtteilen der Oberen Talsandterrasse. Es wurde deutlich, dass der Leerstand infolge der Größenordnungen nicht mehr als „verwalteter Leerstand“ zu bewältigen ist.
Seit dem Jahr 1997 setzt sich die Stadtverwaltung konzeptionell mit dem Umgang des Wohnungsleerstandes und seinen städtebaulichen und sozialen Folgen in der Stadt auseinander. Als erstes und maßgebliches Konzept wurde ein Rahmenplan für die Wohngebiete der Oberen Talsandterrassen erarbeitet und vorbereitende Untersuchungen gemäß Baugesetzbuch eingeleitet. Im Jahr 1999 trat die förmliche Sanierungssatzung in Kraft und der städtebauliche Rahmenplan wurde beschlossen. Die zentralen Handlungsträger im Gestaltungsprozess der anstehenden Herausforderungen im Stadtumbau waren neben der Stadt das kommunale Wohnungsunternehmen und auch die örtliche Wohnungsbaugenossenschaft.
Die Beteiligung der Öffentlichkeit zu den geplanten Anpassungen mit ihren städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Folgen, einschließlich der persönlichen Konsequenzen für die Mieterschaft und Bewohner, erfolgte erstmalig im Jahr 1998 auf der Schwedter Bau- und Wirtschaftsmesse. Daran schloss sich eine kontinuierliche Information und Diskussion der Pläne und Konzepte mit der Bevölkerung in den kommenden Jahren an. Da diese Rahmenbedingungen nicht nur für Schwedt/Oder, sondern viele Städte der neuen Bundesländer zutrafen und eine alleinige Bewältigung durch die Kommunen nicht möglich war, wurde durch den Bund und die Länder ein Förderprogramm zum Stadtumbau aufgelegt (2001, Stadtumbau Ost).
Fortführung des Stadtumbaus
Als entscheidenden Grundsatz für die Umgestaltung der Oberen Talsandterrasse – als Schwerpunkt des Stadtumbaus – hat sich die Doppelstrategie mit Gleichzeitigkeit von Aufwertung und Abriss herausgestellt. Die bewusste Verortung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen in der Gesamtstadt ging einher mit der konsequenten Umsetzung der zwischen allen Akteuren abgestimmten Leerzug- und Abrissstrategie. Die Aufwertung des öffentlichen Raumes und der Gemeinbedarfseinrichtungen erfolgte parallel zu den Wohnumfeldmaßnahmen der Wohnungseigentümer. Die vielfältigen Aufwertungsmaßnahmen erfolgten zeitlich und räumlich abgestimmt mit den Abrissmaßnahmen, um der Bevölkerung ein sichtbares und Sicherheit vermittelndes Signal zu geben. Die Gleichzeitigkeit von Aufwertung und Abriss führte zur Umsetzung der beabsichtigten städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Ziele und zur Stabilisierung der Stadtteile.
Die frühzeitige Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Struktur- und demografischen Wandels im Rahmen von integrierten Stadtentwicklungskonzepten und spezifischen Konzepten zum Stadtumbau ermöglichte es der Stadt, sich langfristig mit den prognostizierten Aufgaben und Prioritäten auseinanderzusetzen sowie zentrale Zielvorstellungen zu benennen. Neben dem Bund-Länder-Förderprogramm „Stadtumbau Ost“ leistete unter anderem das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ einen erheblichen Beitrag zur Aufwertung und Qualifizierung der Stadt als Ganzes, aber auch speziell in den Schwerpunktgebieten des Stadtumbaus.
Doch nicht nur die komplexe Umstrukturierung der Wohngebiete der Oberen Talsandterrassen wurde konzeptionell und praktisch angegangen. Neben der Fortschreibung der Stadtumbaupläne wurde im Jahr 2007 das erste Integrierte Stadtentwicklungskonzept (kurz INSEK) beschlossen. Dieses Konzept bündelt auf kommunaler Ebene vorhandene Planungsvorstellungen und Konzepte und leistet damit einen Beitrag zur Vereinfachung und Transparenz der vorzufindenden Planungsgrundlagen. Im INSEK werden die grundlegenden Handlungserfordernisse der Stadt aufgezeigt, es bildet somit die Voraussetzung für die effiziente Nutzung der kommunalen Infrastrukturen und Ressourcen. Das INSEK wurde in den Jahren 2010 und 2015 fortgeschrieben und jeweils den aktuellen Rahmenbedingungen und Bedarfen angepasst.
Explizit ist in diesem Zusammenhang der Masterplan Wohnen 2025+ zu nennen, dieser bildet einen Fachbeitrag zur 1. Fortschreibung des INSEK aus dem Jahr 2010 und stellt die Grundlage für die weiterführende Beteiligung am Förderprogramm Stadtumbau Ost in der Förderperiode 2010–2015 dar.