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Bürgerinformation zur neuen Notunterkunft für Asylbewerber (Archiv)

Schwedt/Oder, den 15. Juli 2015

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

seit vielen Monaten berichten Presse, Rundfunk und Fernsehen fast täglich über Menschen, die sich auf der Flucht vor Krieg, Not und Vertreibung befinden. Sie kommen nach Europa und Deutschland, um hier Sicherheit und Zuflucht zu finden. Das Schicksal dieser Menschen ist auch bei uns in der Uckermark schon lange ein aktuelles Thema, denn die Kreisverwaltung ist für die Unterbringung von zugewiesenen Flüchtlingen und Asylbewerbern in unserem Landkreis zuständig. Daran arbeitet sie mit Hochdruck.

Trotz aller Bemühungen (Erweiterung der Zahl der Heimplätze in Prenzlau, Schaffung zusätzlicher Kapazitäten in Templin und Angermünde) reicht das vorhandene Angebot nicht aus. Deshalb besteht die Notwendigkeit, vorübergehende Unterbringungsmöglichkeiten auch in unserer Stadt zu erschließen. Der Landkreis Uckermark beabsichtigt, in der ehemaligen Grundschule „Ehm Welk“ eine Notunterkunft für Asylbewerber einzurichten.

Heute fand in der Boxsporthalle eine erste Anwohnerversammlung statt, auf der die unmittelbaren Nachbarn aus dem Stadtteil Kastanienallee als Erste über das konkrete Vorhaben informiert wurden. In einer offenen Diskussion brachten die Anwohner ihre Bedenken und Fragen zum Ausdruck, die durch Vertreter des Landkreises Uckermark beantwortet wurden.

Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir Schwedterinnen und Schwedter gemeinsam in einem offenen und konstruktiven Austausch treten, denn nur so kann die nötige Hilfe organisiert und gute Lösungen für die Integration der Neuankömmlinge gefunden werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Bürgermeister
Jürgen Polzehl

Foto: Seitenansicht eines verlassenes Schulgebäudes im Winter
Die ehemalige Grundschule „Ehm Welk“ in der Leverkusener Straße soll als Notunterkunft für Asylbewerber hergerichtet werden.

 

Fragen und Antworten zu Flüchtlingen in Schwedt/Oder

Warum verlassen so viele ihr Land und bleiben nicht dort, um zu helfen?

Dort, wo die Flüchtlinge herkommen, herrscht entweder Krieg oder sie werden verfolgt und gefoltert. In einem Land zu bleiben, in dem man in Lebensgefahr ist, stellt daher schlicht keine Option dar. Natürlich ist es auch nie eine einfache Entscheidung, von zu Hause zu fliehen. Aber wer Angst um sein Leben hat, nimmt das in Kauf. Die Flüchtlinge riskieren häufig bei der gefährlichen Flucht ihr Leben, viele treiben tagelang in maroden und überfüllten Booten über das offene Meer. Sie mussten meist ihre Familie und Freunde zurücklassen, weil nicht alle fliehen konnten und wissen oft nicht, wo ihre Angehörigen sind und wie es ihnen geht. Die Entscheidung, sich auf die Flucht zu begeben, trifft man nicht freiwillig, sondern nur, wenn man keinen anderen Ausweg mehr sieht.

Warum kommen so viele einzelne junge Männer, warum weniger Familien?

Eine Flucht kostet die Familien viel Geld. Häufig können sie es sich nur leisten, den Transport für eine Person zu bezahlen. Dazu kommt, dass eine Flucht lebensgefährlich und körperlich sehr anstrengend ist. Wenn nicht alle aus einer Familie die Chance haben zu fliehen, schicken sie vor allem die jungen und kräftigen Menschen, weil sie die größten Chancen haben, die Strapazen zu überleben. Nur wenige können mit der ganzen Familie fliehen. Viele Flüchtlinge haben Geschwister, Frauen, Eltern oder sogar ihre Kinder verloren oder mussten sie in der Ferne zurücklassen. Sie machen sich oft große Sorgen um sie, weil sie dort weiter in Gefahr leben.

Einige Flüchtlinge bleiben nicht lange hier, warum sollen sie sich integrieren?

Wenn man mit den Flüchtlingen spricht, äußern viele als einen der ersten Wünsche, dass sie unbedingt Deutsch lernen wollen – auch die, die nur kurz hier sind. Gerade wenn man verfolgt wurde und direkt nach der Flucht in ein völlig neues Land kommt, ist es für viele wichtig, sich von Beginn an willkommen zu fühlen und mit anderen reden zu können. Wenn wir die neu Zugezogenen willkommen heißen, mit ihnen reden und sie kennen lernen, können wir viel voneinander lernen.

Warum kommen gerade so viele Flüchtlinge nach Deutschland?

Durch Kriege und Krisen sind weltweit gerade über 50 Mio. Menschen auf der Flucht. Was viele nicht wissen: die meisten Flüchtlinge bleiben innerhalb ihres Heimatlands oder in angrenzenden Ländern. In Europa nimmt Deutschland als bevölkerungsreichstes Land zwar die meisten Flüchtlinge auf. Pro Kopf sind es aber z.B. in Norwegen, Schweden oder Österreich viel mehr. Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind nur ein kleiner Teil von den vielen Menschen, die sich gerade auf der Flucht befinden.

Steigt die Kriminalität, wenn mehr Flüchtlinge nach Schwedt kommen?

Flüchtlinge sind nicht mehr oder weniger kriminell als deutsche Staatsbürger/innen. Sie sind auch nicht bessere oder schlechtere Menschen. Es gibt schließlich kein kriminelles Gen, das manche Menschen krimineller macht als andere. Die Polizei und die Ordnungsämter in anderen Städten bestätigen, dass die Kriminalität mit der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften nicht gestiegen ist.

Warum haben die Flüchtlinge Handys, schicke Klamotten und Geld? So schlecht scheint es ihnen ja nicht zu gehen.

Wer von seiner Familie, die im Kriegsgebiet lebt, getrennt ist, möchte natürlich unbedingt mit seinen Angehörigen in Kontakt bleiben – jeder Mensch braucht Kontakt zu Familie und Freund/innen. Ein Handy haben heutzutage fast alle, in allen Ländern der Welt. Das ist keineswegs ein Zeichen für Reichtum, sondern ein normales Kommunikationsmittel. Für Flüchtlinge ist es oft der einzige Weg, mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben. Flüchtlinge haben auch nicht mehr Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Empfänger/innen. Die Kleidung, mit der sie hergekommen sind, ist oft die einzige, die sie während der Flucht mitnehmen konnten. Die behandeln sie sehr pfleglich.

Flüchtlinge werden von unserem Steuergeld finanziert?

Dass Menschen, die vor Krieg und Folter fliehen, hier Schutz bekommen, kostet natürlich Geld. Aber Menschenrechte sind eben nicht mit Geld aufzurechnen. Wir können froh sein, dass wir in einem Land leben, in dem unser Leben nicht ständig in Gefahr ist. Es ist eine Errungenschaft, dass wir für Grundrechte nicht zahlen müssen, das sollten andere auch nicht. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, daher sollten wir denen helfen, die nicht das gleiche Glück haben wie wir.

Für Flüchtlinge werden Unterkünfte saniert, aber für unsere Wohnungen ist kein Geld da?

Flüchtlingsunterkünfte sind alles andere als Luxuswohnungen. In den Gebäuden wird nur das Notwendigste saniert, was unbedingt zum Leben gebraucht wird. Die Menschen müssen oft jahrelang mit mehreren Personen in einem Raum zusammen wohnen – teilweise über 10 Jahre. Können Sie sich vorstellen mit jemandem, den Sie nicht kennen, so lange ein Zimmer zu teilen? Unter der Enge leiden die Flüchtlinge und es entstehen sogar Kosten fürs Gesundheitssystem, weil viele die Wohnsituation im Heim krank macht. Gelder für die Unterkünfte werden vom Bund zusätzlich zur regulären Finanzierung der Kommunen zur Verfügung gestellt. Die Sanierung von Wohnungen kommt aus den Töpfen der Eigentümer, hier in der Regel die Wohnbauten GmbH und die WOBAG e. G. Es werden also keine Mittel weggenommen.

Für die Flüchtlinge wird viel Geld ausgegeben, während Hartz-IV-Empfänger/innen wenig Geld bekommen?

Die meisten Flüchtlinge wünschen sich nichts sehnlicher als für sich selbst sorgen zu können und wollen nicht auf Sozialleistungen angewiesen sein. Sie dürfen aber nicht einfach so einen Job aufnehmen, weil der Zugang zum Arbeitsmarkt für sie sehr stark beschränkt ist. Im Stadium der Erstaufnahme dürfen sie gar nicht arbeiten, während dieser Zeit bekommen sie 130€ im Monat. Wenn das Asylverfahren dann begonnen hat, bekommen sie ungefähr das gleiche wie Hartz-IV-Empfänger/innen – also das Existenzminimum. Diesen Betrag bekommen sie am Anfang des Monats in bar ausgezahlt, weil sie oft kein Konto eröffnen dürfen. Auch ihre medizinische Versorgung ist stark eingeschränkt, nur Notfälle werden sofort behandelt.

Was machen die Flüchtlinge eigentlich den ganzen Tag?

Jeder Mensch ist anders – darum lässt sich die Frage nicht pauschal für alle beantworten. Wenn man mit den Flüchtlingen redet, beschreiben sie ihren Tag häufig mit so etwas wie „essen, trinken, schlafen“. Denn das ist oft das Einzige, was im Heim zu tun bleibt. Viele würden lieber etwas Sinnvolles tun, in der Stadt helfen, arbeiten, eine Ausbildung machen. Der Weg bleibt ihnen aber meistens versperrt.

Welche Wünsche und Bedürfnisse äußern die Flüchtlinge am häufigsten?

Auch das kann man nicht pauschal für alle Flüchtlinge beantworten. Wenn man Krieg, Gewalt und Verfolgung erlebt hat, stehen Sicherheit und Frieden zunächst ganz klar an erster Stelle. Man ist dann erst einmal froh, ohne Angst auf die Straße gehen zu können, nicht erschossen oder verfolgt zu werden. Wenn die Flüchtlinge hier angekommen sind – also in einem für sie fremden Land – wollen die meisten zuerst die Sprache lernen und sich mit der Stadt, ihrem neuen Umfeld und den Menschen vertraut machen. Viele möchten gern etwas Sinnvolles tun und sich hier einbringen. Natürlich wünschen sie sich auch, nicht mehr im engen Wohnheim leben zu müssen. Sie wollen mit ihren Familien zusammen sein und einfach Teil der Gesellschaft werden.

Warum werden Unterkünfte direkt in Wohngebieten eröffnet?

Es gibt in den meisten Städten nur wenige freie Gebäude, die die technischen Voraussetzungen für so eine Unterkunft erfüllen. Daher ist der Standort bei der Suche nicht die Hauptfrage. Aber auch unabhängig davon ist es ja eigentlich ganz logisch, dass Unterkünfte in Wohngebieten liegen, denn Menschen leben nun mal in Wohngebieten! Wer würde schon gern zwischen Fabrikhalle, Autohaus und Schrottplatz wohnen? Noch dazu mit schlechter Bus-Anbindung? Die Flüchtlinge müssen zu Ämtern gehen und einkaufen, ihre Kinder besuchen die Schule. Das ist alles sehr schwierig, wenn man im Industriegebiet am Rande der Stadt lebt.

Wenn ich helfen möchte, was kann ich tun?

Das wichtigste ist eigentlich, den Flüchtlingen im Alltag einfach mit Offenheit und Hilfsbereitschaft zu begegnen. Reden Sie auch mit Menschen in Ihrem Umfeld: mit Freunden, Familie und Kollegen, damit keine Vorurteile oder Gerüchte entstehen. Wer selbst aktiv werden möchte, kann sich an eine der Initiativen in der Region wenden oder an die Integrationsbeauftragte der Stadt. Sie sind gute Anlaufstellen für Fragen und Anregungen. Helfen kann man mit Sach- oder Geldspenden und durch ehrenamtliches Engagement, zum Beispiel mit Deutschunterricht.

Herausgeber: Stadt Schwedt/Oder, Der Bürgermeister
Wir danken der Stadt Frankfurt (Oder) und den örtlichen Initiativen für die Unterstützung.

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