Regierungserklärung von Ministerpräsident Matthias Platzeck zum Thema: Standort Brandenburg
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Nach fast dreijährigen Verhandlungen sahen die Investoren Ende November keine Möglichkeit mehr, das Projekt Chipfabrik in Frankfurt (Oder) weiter zu führen. Das ist eine bittere Enttäuschung nicht nur für die Region, sondern für das ganze Land. An der Chipfabrik hingen große Erwartungen auf weit mehr als Tausend innovative Arbeitsplätze. Das Unternehmen, das Arbeitsamt, die IHK und die Bildungsträger beraten mit der Landesregierung, wie die Auszubildenden ihre Lehrzeit abschließen können.
Die Idee des Projekts hat uns fasziniert. Innovative Werkstofftechnologie und Chip-Design aus Brandenburg sollten mit der Prozesstechnologie des weltgrößten Chip-Herstellers verbunden werden. Nachdem die zunächst eingeschlagene Kooperation des IHP mit Motorola beendet wurde, schien uns die Bereitschaft von Intel wie der Schlüssel zum Erfolg, um eine im Land entwickelte Technologie mit einem potenten Partner zur Marktreife zu entwickeln und dann auch auf den Markt zu bringen. Dies hätte auf einen Schlag das Bild der Region um Frankfurt nachhaltig verändert.
Das Projekt geriet aber schon sehr früh in immer neue Schwierigkeiten. Schon 2001 hat das Land, als das Projekt bereits in der Anlaufphase zu scheitern drohte, zunächst eine Bürgschaft und dann – in einer Notoperation – über die ILB Beteiligungskapital in Höhe von 38 Millionen Euro eingebracht.
Viele Kommentare zum Ende des Projekts standen unter der Überschrift, in Brandenburg sei ein „Traum geplatzt“. Tatsache ist, dass wir in den letzten Wochen und Monaten nicht geträumt, sondern in Kenntnis der Risiken hart gerungen und alle Anstrengungen unternommen haben, dem Unternehmen das Weitermachen zu ermöglichen. Wir konnten das Blatt nicht mehr wenden.
Als Hauptmanko hat sich heraus gestellt, dass die Finanzierung trotz des verlässlichen Engagements des Emirats Dubai nicht ausreichend gewährleistet war. Keine Bank war bereit, ohne eine Großbürgschaft von Bund und Land die Fremdfinanzierung zu übernehmen. Am Ende waren auch die für eine solche Bürgschaft notwendigen Bedingungen vom Unternehmen nicht und vor allem nicht fristgerecht zu erfüllen. Langwierige Abstimmungsprozesse – sei es mit der EU, mit dem Bund und auch intern in der Landesregierung – hatten das Projekt zu lange in der Schwebe gehalten. Das hat das Vertrauen in unser Land strapaziert. Und dadurch ist Schaden entstanden für unseren Standort.
Daraus müssen wir und will ich ganz persönlich Lehren ziehen. Wir haben zu lange von der Hoffnung gelebt und zu spät das Risiko der Finanzierungsfrage in seiner ganz Tragweite geklärt. Ich will es aber auch konkret mit Blick nach vorn beschreiben: Wer sich an die Landesregierung wendet, weil er investieren und Arbeitsplätze schaffen will, hat Anspruch auf eine schnelle und eindeutige Entscheidung – ja oder nein. Unbürokratisch und kompetent. Selbst ein klares Nein ist besser als keine Entscheidung oder langwieriges Lavieren.
Fehlende Transparenz, mangelndes Risikobewusstsein und politisches Wunschdenken waren auch die Ursache für das Scheitern der Landesentwicklungsgesellschaft. Die LEG hatte den Satzungsauftrag, landespolitisch bedeutsame Projekte zu fördern. Sie war mit ihrem Know-how bei den Kommunen gefragt und hat auch viel für das Land erreicht. Doch bei dem dann hinzutretenden Anspruch, im Bauträger- und Entwicklungsgeschäft selbst Gewinne zu erwirtschaften, die in die Landesentwicklung zurückfließen sollten, hat sich die LEG übernommen. Es ging auf allen Ebenen, in allen Gremien des Unternehmens die kritische Distanz zu einzelnen Engagements und offenbar auch der Gesamtüberblick verloren. Zu viele Verantwortliche im Unternehmen scheinen sich geradezu willfährig gegenüber politischen Wünschen – manchmal auch nur vermuteten - verhalten zu haben. Sie haben dies nach meinem Eindruck zum Maßstab für ihr unternehmerisches Handeln gemacht und die Spielregeln kaufmännischen Verhaltens nicht im erforderlichen Umfang beachtet. Die Risikokalkulation, die Kontrolle der Betätigungsfelder und der Haushaltsbelastungen für das Land wurden offenbar vernachlässigt. Auf warnende Hinweise wurde nicht früh und entschieden genug reagiert. So darf eine Verwaltung, so dürfen Vorstände und Aufsichtsgremien landesbeteiligter Unternehmen nicht arbeiten. Und deshalb erwarte ich ausdrücklich von allen Beteiligten künftig die Courage, Fehlentwicklungen und Gefahren zu benennen und auszuräumen, bevor es zu spät ist. Die Mitglieder der Landesregierung und ihre Mitarbeiter haben hier eine Vorbildfunktion.
Anlass zu Selbstkritik und zu einer Neuorientierung bietet auch die jüngste Bertelsmann-Studie zum Ranking der Bundesländer im Standort-Wettbewerb für den Zeitraum von 1999 bis 2001. Sie unterstreicht die Botschaften, die wir zuvor im PISA-Vergleich oder auch bei der Allensbach-Untersuchung zur Reformbereitschaft erhalten haben.
Diese Studie hält uns einen Spiegel vor mit einem Bild von Brandenburg, das uns allen in Landtag und Regierung nicht gefallen kann. Wir müssen es aber genau betrachten, selbst wenn es uns in vielen Punkten wie ein Zerrbild der Wirklichkeit vorkommt. Dieses Bild zeigt uns, woran wir arbeiten müssen: an objektiven Schwächen, die wir ausräumen müssen, aber auch am Image. Beides verlangt harte, entschlossene Arbeit. Wir dürfen nicht in Zynismus oder Lähmung verfallen. Denn wir waren im Ländervergleich bei der Vorläuferstudie über den Zeitraum bis 1998, besonders beim Wachstum, schon einmal besser.
Wir stehen an einer Weggabelung. Der „Brandenburger Weg“, zu dem wir uns vor mehr als einem Jahrzehnt selbstbewusst bekannten, hieß vor allem Solidarität und Fairness im Umgang miteinander. Das war gut und muss so bleiben.
Aber die Frage der Menschen, wie es mit ihrer Lebensperspektive in materieller Hinsicht aussieht, ist damit nicht beantwortet. Und deshalb meine ich vor dem Hintergrund der jüngsten Enttäuschungen, dass wir wirtschafts- und strukturpolitisch ehrlich und aufrichtig unsere Position bestimmen und dann einen neuen Anlauf nehmen müssen.
Die Region, in der wir leben, zeigt Schwächen in der Wachstumsdynamik, die nicht einfach durch Parolen in Stärken zu verwandeln sind. Das wirtschaftliche Erbe unserer Region mit seinen durch die DDR eingepflanzten Großstrukturen hat sich als eine schwere Last ausgewirkt. Das wussten wir schon 1990. Vom Muster staatlicher Wirtschaftslenkung haben wir uns längst verabschiedet. Wir müssen jetzt auch von der Erwartung Abstand nehmen, dass private Großinvestoren oder öffentlich initiierte Großprojekte uns die Tausende von Arbeitsplätzen bringen, die im Land fehlen. Unsere Fördermöglichkeiten geben das auch gar nicht her.
Wir werden deshalb
- die Risikomaßstäbe für den Einsatz öffentlicher Mittel verschärfen. Der Lausitzring hat durch eine zusätzliche Finanzierungsleistung des Landes für mehrere Jahre noch einmal die Chance, im Rennen zu bleiben. Mehr direkte staatliche Unterstützung wird es nicht geben. Jetzt ist das Management am Zug.
- Wir müssen mehr aus dem machen, was gut läuft, und uns auf die Sicherung und den Ausbau funktionierender Standorte konzentrieren. Dazu gehören als Kompetenzzentren die industriellen Kerne, die Hochschulen und Forschungsinstitute. Dazu gehören Netzwerke. Dazu gehören Zuliefer- und Abnehmerketten, Kooperationen von Gewerbe und Dienstleistungen.
- Wir müssen dabei den kleinen und mittleren Unternehmen im Land noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Rund 98 Prozent der brandenburgischen Unternehmen sind Mittelständler. Über 90 Prozent haben weniger als 20 Mitarbeiter. Diese Betriebe müssen durch eine bessere Mittelstandsfinanzierung eine faire Chance zur Expansion erhalten und in die Netzwerkbildung einbezogen werden. Sie haben ein Potenzial, das wir zielgerichtet durch gemeinsame Arbeit entwickeln müssen.
In die gemeinsame Arbeit an einem starken Brandenburg möchte ich auch die Medien einbeziehen. Ich begrüße ausdrücklich die aufmerksame Berichterstattung über die vielen innovativen Leistungen, die unternehmerische Einsatzbereitschaft und harte Arbeit. Sie motiviert die, über die Sie berichten und die, die den guten Vorbildern nacheifern wollen. Wir brauchen Mutmacher in Brandenburg!
Die im Land längst vorhandene unternehmerische Kraft müssen wir in den Vordergrund unserer Anstrengungen rücken. Es ist heute – angesichts der Zweifel am Erfolg des Aufbaus Ost – noch wichtiger als damals. Wir müssen vor Ort schneller und konsequenter den Weg frei machen, damit die unternehmerische Initiative sich besser entfalten kann. Sie muss an Stärke, Dynamik und Breite gewinnen.
Dazu können Land und Kommunen einen mutigen Beitrag leisten, indem wir bürokratische Hemmnisse abbauen, schneller und besser werden. Ich appelliere an alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung im Land, an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien, der Landesbehörden, der Landkreise, Ämter und Gemeinden: Stellen sie immer zuerst die Frage, wie kann einem Antragsteller geholfen werden, wie kann ein Projekt zum Erfolg geführt werden? Für jeden Investor gilt der Satz: Zeit ist Geld. Er gilt auch in Brandenburg.
Worauf es außerdem ankommt, ist, im Wettlauf um Innovationen mitzuhalten. Das macht die Zukunftsfähigkeit einer Region aus. Innovationen und technologischer Fortschritt sind die treibenden Kräfte für die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Dynamik unseres Standortes. Mit neuen Produkten und Dienstleistungen können sich Unternehmen neue Märkte erschließen oder mit neuen Produktionsverfahren die Kosten senken. Innovationen entstehen in einem arbeitsteiligen Prozess, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind. Wissenschaftler, Unternehmer, Finanziers und flankierend auch der Staat, der die Rahmenbedingungen setzt. Wir müssen uns in Brandenburg gemeinsam auf den wirtschaftlichen Erfolg in unserer Region konzentrieren und das dafür Notwendige entschlossen tun. Dann werden wir es packen!
Wohin wir in der Welt auch blicken: Bildung und Wissenschaft sind die Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg im globalen Wettbewerb und damit die Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung einer Region. Regionen mit vielen innovativen Unternehmensgründungen haben ein vergleichsweise hohes wirtschaftliches Wachstum. Wir wollen mithalten, damit unser Standort an Ausstrahlung gewinnt.
In Schwarzheide im Süden Brandenburgs können wir diese Wahrheit in der Praxis erleben. Hier wurde ein ehrgeiziges Ziel erreicht. Der Aufbau Ost ist an diesem Standort gelungen. In einem Cluster der chemischen Industrie mit BASF im Zentrum bestehen mittlerweile annähernd so viele Arbeitsplätze wie vor der Wende! Und dies bei immens gestiegener Produktivität. Ein Schwarzheide allein ist zu wenig für Brandenburg. Aber es zeigt, wir können es doch! Die öffentliche Forschungs- und Entwicklungsförderung hat sich bezahlt gemacht. Die BTU Cottbus ist dicht in die unternehmerischen Aktivitäten der Lausitz eingebunden.
Wir haben wirtschaftliche Erfolge und müssen über diese Erfolge reden. Wir müssen auf das hinweisen, was gelingt, um die zu bestärken, die zum Gelingen beitragen. Wir müssen unser Image aktiv prägen: nicht indem wir unsere Misserfolge bejammern, sondern indem wir unsere Erfolge herausstellen und daran anknüpfen.
So erreicht Cottbus in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Potsdam eine hohe Zahl von Gewerbeanmeldungen je 1.000 Einwohnern. Die Ziffern liegen sogar über dem Bundesdurchschnitt. Cottbus ist eben auch eine Gründerstadt.
Die ganze Lausitz ist eine Region des Strukturwandels. In einem deutschlandweit einzigartigen Umwälzungsprozess haben Sachsen und Brandenburg mit massiver Unterstützung des Bundes die Braunkohlesanierung mit Milliarden von Euro vorangetrieben. Das dritte Sanierungsabkommen, das bis 2007 läuft, umfasst noch einmal weit mehr als 1,5 Milliarden, von denen mehr als die Hälfte in Brandenburg eingesetzt werden. Altlasten werden saniert, Landschaften neu gestaltet, ein reizvolles Seengebiet entsteht, Altindustriestandorte werden auf eine neue gewerbliche Nutzung vorbereitet.
Unsere Energiewirtschaft ist seit der Wende in einem ebenfalls mehr als eine Milliarde umfassenden Investitionsprozess modernisiert worden. Wir haben dafür finanzstarke und verlässliche Investoren wie Vattenfall und E.DIS gewonnen, die sich mit Brandenburg identifizieren. Die Energiebranche als ganzes steht für 15.000 Arbeitsplätze im Land.
Der Standort Brandenburg ist einfach gar nicht mehr mit den Verhältnissen Anfang der 90er Jahre zu vergleichen:
- Wir haben eine moderne Luftfahrtindustrie aufgebaut. Das Unternehmen MTU hat allein im vergangenen Jahr in Ludwigsfelde 284 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.
- Wir haben mit EKO und Riva die Stahlerzeugung im Land auf konkurrenzfähige Füße gestellt. EKO ist mit vielen seiner Erzeugnisse international gut positioniert. Das Ziel des Unternehmens, seine Wettbewerbsfähigkeit weiter zu sichern, ist auch im Landesinteresse. Wir wollen allerdings den Verlust von Arbeitsplätzen in der Region weitestgehend verhindern. EKO ist in der Gewinnzone. Dazu hat auch die massive Förderung durch das Land, den Bund und die EU beigetragen. Ich bin zuversichtlich, dass die laufenden Gespräche der Unternehmensleitung, mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften zu einem vernünftigen Ausgleich führen werden.
- Am Standort Schwedt wurde die mineralölverarbeitende Industrie modernisiert. Das PCK ist gesund. Und mit den umfangreichen Investitionen der Leipa Papierwerke sind in diesem Jahr 230 zusätzliche direkte Arbeitsplätze und noch einmal 130 Arbeitsplätze bei umliegenden Serviceunternehmen entstanden.
- Wir haben die optische Industrie modernisiert. Die Rathenower Optischen Werke sind dank Fielmann zum Kern eines funktionierenden Netzwerks der Feinmechanik geworden. Dort werden nicht nur Brillen hergestellt. Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik zählen dazu. 130 zusätzliche Arbeitsplätze sind jüngst entstanden.
- Wir haben den umwelttechnischen Maschinen- und Anlagenbau nach Brandenburg geholt. Allein Vestas hat in Lauchhammer 450 neue Arbeitsplätze geschaffen.
- Wir verfügen über eine ganze Reihe erfolgreicher Recycling-Unternehmen. Eine Neuansiedlung aus jüngster Zeit sind die Scanrup Reifenwerke in Oranienburg mit 80 neuen Arbeitsplätzen.
- Wir haben das pharmazeutische Gewerbe und die Medizintechnik in Brandenburg modernisiert und erweitert. In diesem Jahr fanden bei Altana ebenfalls in Oranienburg 100 neue Mitarbeiter eine Stelle.
- Wir haben eine moderne Medien- und Kommunikationswirtschaft aufgebaut. Dazu haben eBay in Kleinmachnow mit 500 und Oracle in Potsdam mit 237 neuen Arbeitsplätzen beigetragen. Auf dem Gelände der DEFA in Babelsberg haben sich 100 neue Medienunternehmen angesiedelt. Internationale Filmproduktionen wie „In 80 Tagen um die Welt“ haben sich für unsere Studios entschieden. Der Raum Potsdam hat außerdem mit 4.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Verhältnis zur Einwohnerzahl die größte Wissenschaftsdichte Deutschlands.
Andere wichtige Investitionen lassen sich anfügen: die Hamburger AG in Schwarze Pumpe, die Holzwerke in Baruth und Falkenhagen, Iris-Ceramica in Vetschau, Campina in Elsterwerda, die Mineralquellen in Bad Liebenwerda und andere mehr.
Das Engagement der von mir hier namentlich genannten Unternehmen mobilisierte – seit 1999 – eine Investitionssumme von mehr als 1,5 Milliarden Euro. Das ist nicht nur eine beeindruckende Zahl, sondern ein klarer Beleg dafür, dass wir beim wirtschaftlichen Strukturwandel vorankommen. Wer ortskundig ist in unserem Land und die Entwicklung der angesprochenen Standorte mitverfolgt hat, der kann sehen, dass sie sich in ganz unterschiedlichen Regionen Brandenburgs vollzieht.
Wenn unsere Wachstumsdynamik insgesamt seit 1998 trotzdem so unbefriedigend verläuft, so liegt das zu einem großen Teil an der seit Jahren stark rückläufigen Entwicklung der Baubranche. Diese überlagert einen anderen, positiven Trend: Das produzierende Gewerbe wächst stetig. Mit 3,6 Prozent lag Brandenburg 2002 ganz deutlich über dem Durchschnitt der Bundesrepublik.
Deshalb lohnt das Werben und Argumentieren für den Standort. Das Scheitern von zwei überwiegend privat finanzierten Projekten in Frankfurt (Oder) und in Brand, und die Probleme mit einem weiteren, dem Lausitzring, den wir überwiegend mit öffentlichen Mitteln angeschoben haben, darf das Image Brandenburgs nicht bestimmen. Wir sind ein Land, das in weit größerem Maße erfolgreiche Projekte vorweisen kann – vom namhaften Weltkonzern über den soliden Maschinenbauer bis zur Neugründung aus der Uni heraus. Die negative Wahrnehmung entspricht nicht der Wirklichkeit. Das kann uns nicht kalt lassen. Das geht an uns alle. Dagegen müssen wir ankämpfen.
Die Landesregierung steht in vorderster Verantwortung und muss es sich gefallen lassen, mit allem, was sie tut, an hohen Maßstäben gemessen zu werden. Wenn wir Innovationsgeist und Kreativität, Courage und Tatkraft im Land wollen, müssen wir selbst innovativ und zukunftsgerichtet handeln. Wenn wir von den Tarifparteien fordern, den Standort durch flexible Arbeitszeitmodelle, durch produktivitäts- und konjunkturorientierte Lohnabschlüsse zu stärken, gilt das selbstverständlich auch für den öffentlichen Dienst. Wenn wir von den Menschen mehr Eigenvorsorge für das Alter erwarten, um die junge Generation nicht über Gebühr zu belasten, muss auch der Staat selbst durch Kostenbewusstsein, Effizienz und Sparsamkeit überzeugen. Das erfordert Zusammenhalt und Loyalität aller Ressorts.
Die Haushaltsdisziplin bleibt zwingend. Auch dies ist aber nicht nur Aufgabe der Finanzministerin, sondern gemeinsame Verpflichtung aller Ressorts und aller Fraktionen in diesem Parlament. Durch die Modernisierung des Haushaltsrechts, insbesondere durch die Bildung von Budgets für Personalausgaben und Sachausgaben sowie die Möglichkeit zur Rücklagenbildung haben wir allen Ressorts den Spielraum gegeben, sich durch eigene, kreative Sparsamkeit beim Verwaltungsaufwand Gestaltungsspielraum für prioritäre Aufgaben zu erarbeiten. Ich begrüße ausdrücklich den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Haushaltsgesetz 2004, der diesen Ansatz nachhaltig unterstützt.
Wir werden Kurs halten beim sozialverträglichen Personalabbau im Zuge der Verwaltungsmodernisierung. Wir werden leistungsorientierte Steuerungsmodelle einführen und den Einsatz moderner Kommunikationstechnologie in der Verwaltung verbessern. Dies alles dient dem Ziel, schneller, kreativer und effizienter zu werden.
Wir tun dies, weil wir Luft brauchen für unsere Kernaufgaben und weil wir diese Aufgaben professionell und bürgerorientiert erledigen wollen. Das Land intensiviert seinen Einsatz bei Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung, bei Technologietransfer und Gründerförderung.
Wir haben deshalb den Forschungsbereich als einzigen von Kürzungen verschont. Investitionen in die Wissenschafts- und Forschungsstandorte sind gut für das ganze Land.
Wir stärken den Bildungsauftrag an Kindertagesstätten. Wir haben die pädagogischen Standards verbessert. Wir haben Maßnahmen zur Verbesserung der Schulbildung ergriffen. Unter anderem wird Englisch jetzt ab der 3. Klasse angeboten. Wir müssen zu einem motivierenden Positivbild Schule kommen. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe für Lehrer, Eltern, Erziehende. Das Land braucht mehr Engagement in den Schulen. Die Verbesserung von Sprach- und Rechenkenntnissen und eine höhere Professionalität bei Erzieher- und Lehrtätigkeit sind unverzichtbar.
Ein gutes Modell ist das „Netzwerk Zukunft“, in dem fast die Hälfte aller weiterführenden Schulen in Brandenburg mit der Wirtschaft kooperieren. Jugendliche bereiten sich praktisch auf das Berufsleben vor. Lehrerinnen und Lehrer bekommen direkten Einblick in den Bedarf nach Ausbildung.
Wir stehen zu unserer Verantwortung für die Infrastruktur. Bei allen Maßnahmen müssen wir in Zukunft genauer hinschauen und Schwerpunkte setzen. Die Städte sind die Entwicklungsanker für den ländlichen Raum. Die Dörfer können als Wohnorte nur attraktiv sein, wenn in erreichbarer Nähe eine funktionierende Stadt ist, in der die Menschen einkaufen oder zum Arzt gehen können, wo sie ein kulturelles Angebot finden und die Kinder zur Schule gehen.
Die Herausforderung unserer Haushalts- und Strukturpolitik lautet, mehr Mittel in den investiven Bereich zu lenken. Wir haben daher beschlossen, EU-Strukturfondsmittel in Höhe von 80 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren zugunsten von Wirtschaft und Infrastruktur umzuwidmen.
Aber eines muss auch klar sein: Der Staat ist kein Ersatzunternehmer und Generalbürge für Investitionsrisiken. Wir vermitteln, katalysieren, stoßen an, geben Starthilfe. Die Förderkriterien sind klar definiert: Wir fördern nur dann, wenn die Wirtschaft selbst investiert. Wir modernisieren und erweitern die wirtschaftsnahe Infrastruktur vor allem mit Blick auf die Nachfrage der Unternehmer.
Entwicklungsanstrengungen gegen den wirtschaftlichen Trend sind letztlich aussichtslos. Jeden Entwicklungsansatz – sei es ein Gewerbegebiet oder eine technologische Innovation – müssen wir von realistischen Marktchancen her beurteilen. Nur mit informierter Förderpolitik und zielgenauen Treffern kommen wir zum Erfolg.
Die Herausforderung lautet deshalb auch, die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, zwischen Gemeinden, Kreisen und Land zu verbessern. Wachstumspotenziale, die wir haben, werden wir entschlossener zu politischen Prioritäten machen. Das heißt auch, dass in Zeiten notleidender Haushalte rein konsumtive Politikfelder zurückstecken müssen. Prioritätensetzung ist nur dann etwas wert, wenn sie haushaltspolitisch konsequent umgesetzt wird.
Für den Standort Brandenburg ist die Investorenbegleitung lebenswichtig. Wir setzen uns daher mit allen Aspekten auseinander, die von Investoren und Wirtschaftsinstituten negativ bewertet werden. Wir müssen kürzere Bearbeitungszeiten in der Verwaltung durchsetzen und unnötige Regularien abschaffen. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass Polizei und Justiz gemeinsam in Brandenburg die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten und Investoren ihre Rechte im Bedarfsfall schnell erlangen und durchsetzen können. Wir setzen für die Investorenbegleitung professionelle Projektteams der ZAB und der Investitionsbank des Landes ein. Es gibt viele Investoren, die unseren Ansiedlungsservice hoch einschätzen. Allen anderen, die Grund zur Klage haben, gebe ich mein Wort, dass wir nichts schleifen lassen. Wo es noch hakt, werden wir den Fortschritt prüfen und wenn nötig nachsteuern. Unsere Grundorientierung muss es sein, Investitionen verlässlich zu begleiten und in kurzer Frist möglich zu machen.
Vordringlich ist der Flughafen Berlin-Brandenburg-International in Schönefeld. Wir stehen im Wort bei der Luftfahrtbranche, die immer wichtiger für die Region wird, dieses zentrale Infrastrukturvorhaben zu verwirklichen. Das Planfeststellungsverfahren soll in der ersten Hälfte des nächsten Jahres abgeschlossen sein. Bis dahin steht der Finanzplan der Flughafengesellschaft für den Ausbau. Die Verhandlungen mit unseren Partnern Bund und Berlin werden wir mit aller gebotenen Konzentration intensivieren. Mein Ziel ist ohne wenn und aber, den Erfolg des Flughafenausbaus zu sichern.
In Sachsen, Bayern oder Hessen wurden die internationalen Flughäfen nicht privat finanziert. Die öffentliche Verantwortung für solche Infrastrukturvorhaben ist die Regel, nicht die Ausnahme. Aber in Leipzig, München und Frankfurt Main gibt es den Vorteil einer Regionalpolitik aus einem Guss. Wenn Berlin und Brandenburg als deutsche Hauptstadtregion verlässlich zusammenarbeiten, gelingen Infrastrukturvorhaben, Unternehmensansiedlungen und Netzwerkbildungen besser, schneller und reibungsloser. In dem Maße, in dem uns das gelingt, werden Berlin und Brandenburg zusammenwachsen. Die Ländergliederung in ganz Deutschland steht auf dem Prüfstand – und überall gilt es, größere und stärkere Einheiten zu finden.
Der Metropolenraum macht uns die geringsten Sorgen. Die Landeshauptstadt ebenso wie Teile von Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming oder Dahme-Spreewald entwickeln sich ermutigend. Was aber wird aus der Region Ostbrandenburg, die einen schweren Rückschlag hinnehmen musste? Wir werden uns weiterhin für unseren Technologiestandort in Frankfurt einsetzen. Das IHP hat nichts von seiner Leistungsfähigkeit eingebüßt. Das Institut arbeitet mit einer beeindruckenden Zahl internationaler Hightech-Unternehmen zusammen. Dieses Potenzial müssen wir sichern und ausbauen.
Wir lassen die peripheren Regionen nicht außer Acht. Es wird oft übersehen, dass vier der größten Unternehmen Brandenburgs ihren Sitz fern von Berlin haben. Wir wissen: Die demografischen Entwicklungen im ländlichen Raum fordern uns heraus. Die Landesregierung bereitet einen ersten Bericht über die Auswirkungen von Bevölkerungsrückgang und Alterung vor, den wir Anfang kommenden Jahres dem Landtag zuleiten. Er wird alle Politikbereiche betreffen. Aus den Erkenntnissen werden wir weiter konkrete Antworten entwickeln. Wir müssen über Ressortgrenzen hinweg die Kräfte bündeln und gemeinsam die erforderlichen Schwerpunkte politischer Gestaltung setzen. Aus den unabwendbaren Strukturverschiebungen dürfen keine Zukunftsängste entstehen.
Wir wissen: Für die Menschen in den dünn besiedelten Räumen des Landes ist das einzige, was wirklich hilft, Arbeit und damit Erwerbsperspektive. Viele werden längere Wege zu den Arbeitsstätten zurücklegen müssen. Aber ein Abhängen von den Entwicklungen, das viele Brandenburgerinnen und Brandenburger in der Uckermark, in der Prignitz befürchten, darf es nicht geben. Dafür brauchen wir kreative Ansätze, die ihre Chance aus der Region ziehen. Das Land ist wunderschön und unverbraucht. Viele Entwicklungsansätze sind möglich. Klassische Landwirtschaft ist nur einer davon. Dieser Wirtschaftszweig ist stabil. Wir hatten in den letzten Jahren dort keine Insolvenzen. Die Wirtschaft auf dem Land hat eine Zukunft. Dazu tragen auch der Anbau nachwachsender Rohstoffe beispielsweise für die Bioethanolproduktion im PCK Schwedt bei oder die Nahrungsmittelverarbeitung. Ein wachsende Zahl von Menschen lebt überdies vom Tourismus. Wir lassen nicht locker. Wir brauchen alle. Wir geben niemanden auf. Wir wollen gemeinsam weiterkommen und wir müssen und werden das gemeinsam schaffen.
Mit der Osterweiterung der EU steht uns im Jahr 2004 ein zentrales Datum bevor. Wir müssen das Augenmerk für die Märkte in Osteuropa schärfen. Unser Nachbar Polen ist inzwischen nach den USA unser zweitwichtigster Exportmarkt. In der Außenhandelsverflechtung verzeichnen wir deutliche Zuwächse. Enderzeugnisse mit höherer Wertschöpfung machen einen immer größeren Anteil am Export aus. Wir setzen unsere Unterstützung für exportorientierte Unternehmen fort, helfen dabei, den Zugang ins Ausland zu öffnen, und fördern die Markterschließung. Zugleich müssen wir unsere Aufmerksamkeit auch nach innen richten. Gerade für kleinere Unternehmen sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die europaweit konkurrenzfähig sind. Das betrifft die Steuersätze, eine Vereinfachung des Steuersystems, die Senkung der Lohnnebenkosten und den Bürokratieabbau.
Die entsprechenden Reformen auf Bundesebene erfordern daher eine intensive positive Begleitung durch die Landesregierung. Wir werden unsere Interessen auch als kleines Land zu wahren wissen.
Ich unterstütze den von der Koalition im Deutschen Bundestag und der Bundesregierung eingeschlagenen Weg, durch weitreichende steuer- und arbeitsmarktpolitische Reformen den Wachstumskräften in Deutschland wieder zum Durchbruch zu verhelfen.
Dieser Weg ist mit den laufenden Vermittlungsverfahren noch lange nicht am Ende. Ziel bleibt insbesondere in der Steuerpolitik ein Steuersystem, das jeder Steuerzahler in der Lage ist zu begreifen
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Ich gehe davon aus, dass sich bereits die jetzt eingeleiteten Maßnahmen in absehbarer Zeit positiv auf die Lebensumstände der Bevölkerung auswirken.
Aus Sicht des Landes Brandenburg muss ich gleichwohl deutlich machen, dass einzelne Elemente der Gewerbesteuerreform und die Auswirkungen von Hartz IV bisher eine bedenkliche Schieflage zu Lasten der neuen Länder entstehen lassen, die es in den Verhandlungen auszutarieren gilt
Die Fortsetzung des Aufbaus Ost ist das alles überragende Ziel. Gerade auf einem Land wie Brandenburg ruhen bundesweit die Augen.
Brandenburg muss sein Profil schärfen. Wir sind das Land der kleinen modernen Unternehmen, die wachsen wollen und können. Wir haben mit rund 10,6 Prozent die höchste Selbständigenquote in Ostdeutschland. In Brandenburg liegen die Gewerbeanmeldungen dauerhaft über den Abmeldungen.
Sicher: noch leidet die Hauptstadtregion mehr als andere Länder unter der konjunkturellen Schwäche. Aber mittel- und langfristig sind die Aussichten gut. Keine ostdeutsche Region hat wie wir in ihrer Mitte eine Metropole von 3,5 Mio. Einwohnern.
Brandenburg wird es angesichts der schlechten Lage auf dem Arbeitsmarkt, der unbefriedigenden Wirtschaftslage und der angespannten Finanzen nicht leicht haben. Die Situation ist sehr ernst. Wir alle müssen jetzt beweisen, dass unser Land eine Zukunft hat. Wir haben keine Wahl. Wir müssen besser werden. Wir müssen für Brandenburg die Kräfte anspannen. Anpacken müssen alle. Dann schaffen wir es!
Ich danke Ihnen!