Staatskanzlei

Regierungserklärung von Ministerpräsident Matthias Platzeck

Die neue Wirtschaftsstrategie – Anstoß zu Wachstum aus eigener Kraft

veröffentlicht am 18.12.2006

13. Dezember 2006 vor dem Landtag Herr Landtagspräsident, meine Damen und Herren, auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich hier gestanden, um Ihnen die Argumente vorzutragen, die die brandenburgische Landesregierung bewogen haben, ein generelles Umsteuern in der Wirtschafts- und Förderpolitik des Landes vorzunehmen. Es galt, die eigenen Kräfte des Landes zu mobilisieren, um spätestens im Jahr 2020 auf eigenen Füßen stehen und auch laufen zu können. Wir wollten möglichst richtige Impulse geben. Die Entwicklung vor Ort, die Einschätzungen des Bundes und die europäischen Entwicklungen bestätigen dies. 1. Die Landesregierung hat vor eineinhalb Jahren gezielt umgesteuert/Politik aus einem Guss Die heutige Erklärung ist die Bilanz über eineinhalb Jahre Neuausrichtung der Förderpolitik in Brandenburg. Im Frühjahr 2005 wurde dafür der Anstoß gegeben. Was war und ist das Ziel? Diese neue Förderstrategie soll dazu beitragen, der Abwanderung gegenzusteuern, indem arbeitsplatzschaffende Wachstumskerne gebildet und gestärkt werden. Sie soll dazu beitragen, der Arbeitslosigkeit in Brandenburg besser Herr zu werden, indem den hier ansässigen oder ansiedlungswilligen Unternehmen passgenauere Investitionsbedingungen und attraktivere Standorte geboten werden. Zudem soll die neue Strategie dazu beitragen, die bereits ab dem Jahr 2007 sinkenden Mittel des Landes, unter anderem Strukturfondsmittel und Zuweisungen des Bundes, effizienter einzusetzen. Denn wir sind gemeinsam zu der klaren Einschätzung gelangt: Weniger werdende Mittel immer breiter zu streuen, ist für die Entwicklung des Landes nicht sinnvoll. Meine Damen und Herren, die neue Förderpolitik folgt dem Prinzip Stärken zu stärken. Dies wird durch die Ausrichtung auf 16 Branchenkompetenzfelder und 15 Regionalen Wachstumskerne erreicht, die wir zu Beginn dieser Strategie identifiziert haben. Mit dieser Herangehensweise kommen wir weg von der Flächenbetrachtung hin zur Wachstumsförderung. Ziel bisheriger Förderung war der Ausgleich regionaler Nachteile. Diese Herangehensweise hat sich jedoch unter den neuen und härteren Bedingungen als nicht mehr ausreichend erwiesen. Wir setzen an dem an, was in unserem Land entstanden ist. Wir gehen nicht von irgendwelchen, wie auch immer gearteten Hoffnungen aus. Wir fördern mit einem einfachen und transparenten System in nur noch drei Stufen: Basisförderung, Potenzialförderung, KMU-Zuschlag. Ich selbst, der Wirtschaftsminister, aber auch andere Kollegen haben in zahlreichen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern gespürt, dass dies wohl der richtige Weg ist. Die Resonanz der Unternehmen, der Kammern und Wirtschaftsverbände war durchweg positiv. Für Neuansiedlungen und Erweiterungsvorhaben bietet das Land als weiteren Baustein der neuen Förderpolitik seit wenigen Wochen für Investoren ein Servicepaket an, das den Fachkräftebedarf – eine der wichtigsten Fragen der Zukunft - einschließt. Erster Ansprechpartner für Unternehmensansiedlungen bleibt, das ist keine Frage, die Zukunftsagentur Brandenburg. Der zweite Partner, die Bundesagentur für Arbeit, stellt Daten zu Verfügbarkeit, Struktur und Qualifikation von Arbeitskräften bereit und hilft bei der Personalauswahl und der Weiterbildung von derzeit arbeitslosen Fachkräften. Der dritte Partner ist die Landesagentur für Struktur und Arbeit. Sie unterstützt Investoren bei der Qualifizierung von Mitarbeitern und bei der Suche nach Partnern für die Weiterbildung. Eine begleitende Maßnahme der Wirtschaftspolitik ist der Abbau – das wurde in diesem Hause heftig und oft diskutiert - von überflüssigen Vorschriften und unnötigen Belastungen der Unternehmen. Die Landesregierung hat im regelmäßigen und intensiven Streitgespräch mit der Wirtschaft und der Wissenschaft die ersten Schritte zum Abbau überflüssiger Bürokratie – ich sage bewusst überflüssige Bürokratie, weil es durchaus Bürokratie gibt, die für den Interessenausgleich und für eine vernünftige Entwicklung des Landes notwendig ist - eingeleitet. Im Gesprächskreis Bürokratieabbau diskutieren wir, an welcher Stelle der Schuh drückt, wie Maßnahmen aussehen müssen und welche Ergebnisse zu erwarten sind. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten nach dem niederländischen Standardkosten-Modell haben wir in Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen und schaffen damit ein deutliches Kostenbewusstsein für Normen und Standards. An dieser Stelle will ich ein ausdrückliches Dankeschön an den Sonderausschuss des Landtages und an Tina Fischer aussprechen. Es wurde viel bewegt, wobei man beim ersten Aufeinandertreffen nicht immer auf Beifall gestoßen ist. Die Zentrale Normprüfstelle in der Staatskanzlei untersucht Gesetze und Verordnungen auf ihre Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und vor allem auf ihre Auswirkungen auf Bürger, Wirtschaft und Vollzugsbehörden. In den Branchenkompetenzfeldern fördern wir die Einrichtung von landesweiten Netzwerken. Aufgrund der fehlenden Großkonzerne müssen wir Kooperations- und Vernetzungsarbeit leisten, um unsere Unternehmen schlagkräftiger zu machen. Das wird dazu beitragen, die Branchen zu stärken. Der Branchenansatz schlägt sich darüber hinaus im Landesinnovationskonzept vom Dezember 2005, in der Landestourismuskonzeption vom Februar 2006 und bei Maßnahmen zur Fachkräftesicherung eindeutig nieder. Das ist damit gemeint, wenn wir Politik aus einem Guss anstreben. Das eine Ressort soll mit dem anderen und die eine Handlung soll mit der anderen kompatibel sein. Zudem sollte das eine möglichst sinnvoll aus dem anderen hervorgehen. Mit der Hinwendung zu den Branchenkompetenzfeldern ging ein weiterer Effekt einher. Wir konnten die getrennte Betrachtung der Bundesländer Berlin und Brandenburg hinter uns lassen. Berlin und Brandenburg sind endlich die eine Metropolregion, als die wir in Europa ohnehin schon wahrgenommen werden. Das zweite Standbein der neuen Förderstrategie sind die Regionalen Wachstumskerne. 15 von ihnen wurden für Brandenburg ausgewiesen. Dafür wurden sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien herangezogen. Wir haben zum einen nach Orten gesucht, an denen Branchenkompetenzfelder bereits stark vertreten sind. Zum anderen haben wir untersucht, wo Fachhochschulen, Universitäten oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen vorhanden sind. Das waren aus meiner Sicht einleuchtende Eckpunkte, an denen wir die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potenziale künftiger Entwicklungen festgemacht haben. Zudem war sich die Landesregierung einig - dazu gab es Auseinandersetzungen -, dass ein Regionaler Wachstumskern in bezug auf die Bevölkerungszahl eine „kritische Masse“ überschreiten muss, weil nur dann nennenswerte Ausstrahlungseffekte auf das Umland zu erwarten sind. Deshalb wurde neben den anderen Kriterien die Mindesteinwohnerzahl auf 20.000 Einwohner festgelegt. In den Ausnahmefällen, in denen mehrere Orte einen Regionalen Wachstumskern bilden, muss mindestens ein Ort über diese Einwohnerzahl verfügen. Hier war entweder ein besonderes wissenschaftliches Potenzial vorhanden und/oder die Orte verfügen über eine so enge wirtschaftliche Verflechtung und über gewachsene gemeinsame Strukturen, dass man sie sinnvoller Weise nur zusammen betrachten konnte. Dies u.a. ist der Fall beim Regionalen Wachstumskern Westlausitz, bestehend aus Finsterwalde, Lauchhammer, Schwarzheide, Senftenberg und Großräschen. 2. Die neue Förderstrategie wird umgesetzt. Meine Damen und Herren, die Debatte um die Regionalen Wachstumskerne war für alle Beteiligten anstrengend. Sie war aber auch produktiv und konstruktiv. Im Ergebnis hatten wir nicht allein 15 Regionen mit speziellen Kompetenzen ausgemacht, sondern in allen Regionen des Landes – auch in denen, die über die 15 hinausgehen - gab es eine Art Bestandsaufnahme. Man überlegte: Wo liegen unsere besonderen Potenziale? Wie können wir unsere Fähigkeiten weiterentwickeln? Wo können wir Kräfte bündeln? Das war eine erhoffte, in so außerordentlich positiver Form jedoch nicht erwartete Bestandsaufnahme der eigenen Stärken. Auf diese Weise konnten sich selbst diejenigen, die nicht Regionalen Wachstumskernen zuzuordnen waren, recht schnell mit eigenen Mitteln eine Perspektive erarbeiten. Der Geschäftsführer des Neuruppiner Technologie- und Gründerzentrums Ostprignitz-Ruppin, Jürgen Paul, hat gut zusammengefasst, was gemeint war: Nachdem die Regierung ein klares Signal gesendet hatte, gab es einen Mentalitätswechsel. Es ging den Regionen nicht mehr darum zu zeigen, wie bedürftig man sei, sondern darum, welche Potenziale vorzuweisen sind. Die Gegend um den RWK Neuruppin sei zwar selbst kein Wachstumskern, aber man hat sich mit anderen Regionen zusammengetan, um Entwicklungskonzepte auszuarbeiten. Wir haben uns gesagt: Jetzt erst recht! Ich kann nur sagen: Richtig so! Eine ähnliche Aufbruchstimmung kann man im Regionalen Wachstumskern Perleberg/ Wittenberge/ Karstädt erkennen. Wer sich in der Gegend auskennt, weiß, dass es dort auch früher gewachsene Beziehungen, besser gesagt: Nicht-Beziehungen gab. So heiratete man nicht quer; man redete auch sonst nicht viel miteinander. Diese tief verwurzelten Ressentiments wurden dank der neuen Förderpolitik aufgebrochen. Plötzlich setzen sich Perleberger und Wittenberger an einen Tisch und reden darüber, wie sie gemeinsam die Lebensverhältnisse in ihrer Regionen verbessern wollen. Das Motto des Regionalen Wachstumskerns lautet: "Prignitz - Brandenburg ganz oben". Dieser Satz ist sicher nicht nur als geografische Beschreibung gemeint; er versinnbildlicht auch, wohin man sich entwickeln will. Das ist die viel zitierte „Erneuerung aus eigener Kraft“. Der dafür notwendige Mentalitätswandel ist in Gang gekommen. Die Ergebnisse werden positiv sein. Sie sind kaum bezahlbar. Meine Damen und Herren, nicht allein die Stärken-Schwächen-Analyse hat uns weitergebracht, sondern auch das Herangehen über die Ressortgrenzen hinweg. Die ersten Überlegungen der Regionalen Wachstumskerne waren in mancher Hinsicht noch „betonlastig“ und „asphaltfixiert“. In erster Linie wurde über neue Straßenanbindungen nachgedacht. Der Erkenntnisprozess ging aber weiter. Man erkannte schließlich, dass Straßen allein nicht das Allheilmittel für die Entwicklung einer Region sind und widmete sich Stück für Stück den weichen Faktoren, die heute den entscheidenden Unterschied zwischen erfolgreich und nicht erfolgreich ausmachen: Es geht um die Sicherung eines hinreichenden Fachkräftepotenzials. Dafür ist eine gute Aus- und Weiterbildung notwendig. Wir haben aber auch gespürt, dass in den Debatten mit den Regionalen Wachstumskernen die Stadtentwicklung in Gänze, der Tourismus und viele andere Faktoren mehr als eine zunehmend wichtige Rolle spielten. Erst die Mischung macht es. Die ersten sechs Standortentwicklungskonzepte der Regionalen Wachstumskerne lagen bereits Ende Juni vor. Mitte September hat das Kabinett daraus abgeleitete prioritäre Maßnahmen gebilligt. Etwa zum gleichen Zeitpunkt hatten alle 15 Regionalen Wachstumskerne ihre Konzepte aufgestellt. Das Kabinett hat am 5. Dezember über weitere Maßnahmen entschieden. Jetzt wird an der Umsetzung intensiv gearbeitet. Meine Damen und Herren, die Standortentwicklungskonzepte sind nicht am Grünen Tisch entstanden. Vielmehr wurde vor Ort mit Vertretern aus Unternehmen, Wissenschaft und Verwaltung über die Konzepte der Regionalen Wachstumskerne lebhaft diskutiert. Ich bin froh, dass viele Teilnehmer diesen Diskussionsprozess fortsetzen wollen. Die Beteiligung möglichst vieler Akteure trägt zu zügigen Umsetzung der Konzepte bei und stellt sicher, dass neue Ideen einfließen können. Von den Vertretern der Regionalen Wachstumskerne selbst gibt es eine positive Resonanz auf die besondere Qualität der Zusammenarbeit, die sich – auch mit der Landesregierung – entwickelt hat. In unzähligen Gesprächen wurde mit der Interministeriellen Arbeitsgruppe diskutiert. Es saßen Vertreter vieler Ministerien an einem Tisch. Dieser Umstand wurde von etlichen Teilnehmern als wohltuend empfunden. Sie müssen mit ihren Vorstellungen nicht von Ministerium zu Ministerium laufen, sondern alle Ministerien sitzen zusammen und ziehen mit den Verantwortlichen in den Regionalen Wachstumskernen an einem Strang. Meine Damen und Herren, wer sich heute die Konzepte anschaut, kann eine große Bandbreite an Vorhaben erkennen. Lassen Sie mich nur drei Beispiele nennen: In Schwedt wurde es als eines der wichtigsten Vorhaben erachtet, das PCK-Raffineriegelände zu einem offenen Industriepark weiter zu entwickeln. In Fürstenwalde hat man es als prioritär erachtet, die Einrichtung eines Ausbildungsverbundes des produzierenden Gewerbes voranzutreiben. Das Thema Fachkräftesicherung steht also jetzt schon ganz oben auf der Tagesordnung. Für Cottbus war es sehr wichtig, die Eisenbahntrasse nach Berlin für die Zuggeschwindigkeit 160 km/h auszubauen. Diese sehr unterschiedlichen Notwendigkeiten und Ansätze haben alle dasselbe Ziel: Eine möglichst gut fundierte, schnelle Entwicklung des Wachstumskerns zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, angesichts vielfach gestellter Fragen will ich noch einmal feststellen: Das Ganze ist weder ein starres Konzept, noch ein Korsett. Die sich in den nächsten Jahren verändernden Gegebenheiten und Bedürfnisse sollen einbezogen werden. Die Entwicklung der Konzepte soll sich daran anpassen. Wirtschaftsprozesse verlaufen nun einmal dynamisch. Das soll auch so sein. Der Erfolg von Branchen und Produkten lässt sich nicht hundertprozentig vorhersagen. Auch die zukünftigen Erfolgsregionen sind nicht mit letzter Sicherheit zu benennen. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg Brandenburgs ist, wie es uns gelingt, auch zukünftig genügend Fachkräfte vorzuhalten. Der Geburtenknick zur Wendezeit macht das Thema bereits 2008 akut. Sehr bald wird sich drastisch zeigen: Wir können es uns nicht mehr leisten, in unsrem Land Jugendlichen ohne qualifizierte Ausbildung zu haben. Aber: Unsere mittelständische Wirtschaft wird aufgrund ihrer Struktur kaum in der Lage sein, das Problem allein zu lösen. In den zumeist kleinen Unternehmen muss Personalentwicklung wie Aus- und Weiterbildung zusätzlich zum Tagesgeschäft, das oft schwierig genug ist, betrieben werden. Das ist für Betriebe mit wenigen Beschäftigten nur schwer zu organisieren. Deshalb hat die Landesregierung das Thema Fachkräftesicherung weit nach oben auf ihren Arbeitsplan gesetzt und sechs Handlungsfelder zur Sicherung des Bedarfs bestimmt. 1. Wir werden die Berufsorientierung der Schulen und die Anschlussfähigkeit für nachfolgendes Lernen verbessern. Wir sind gerade dabei. 2. Wir werden die Erstausbildung quantitativ und qualitativ ausbauen. 3. Wir werden die betriebliche Kompetenzentwicklung und Qualifizierung der Beschäftigten fördern. 4. Wir werden die Qualifizierung der Arbeitssuchenden weiter in den Vordergrund rücken. 5. Wir werden Zusammenarbeit und Wissenstransfer als wichtige Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft verbessern. 6. Und wir werden weiterhin Existenzgründungen fördern. Meine Damen und Herren, die Frage der Fachkräftesicherung ist so existenziell, dass wir sie nur im engen Schulterschluss mit allen wichtigen Akteuren auf dem Arbeitsmarkt angehen können: mit den Kammern, den Sozial-partnern, der Bundesagentur für Arbeit, den Hochschulen, den Schulen und der Bundesregierung. Sechs "Regionalbüros für Fachkräftesicherung" bei der Landesagentur für Struktur und Arbeit Brandenburg haben in diesem Jahr ihre Arbeit aufgenommen. Sie sollen gerade für kleine und mittelständische Unternehmen die Kompetenzen zur Fachkräftesicherung bündeln und für qualifizierte Beratung sorgen. Zugleich bieten diese Regionalbüros wichtige Unterstützungsleistungen für die Regionalen Wachstumskerne an. Herr Präsident, meine Damen und Herren, der eingeschlagene Weg kann und wird nur erfolgreich sein, wenn wir ihn gemeinsam mit Berlin gehen. Die Ausrichtung auf die Gesamt-Metropolregion Brandenburg-Berlin macht deutlich, dass es keine abgehängten Regionen geben wird. Das ist auch der tiefere Sinn des neuen Leitbildes. Es ist übrigens ein Unikat, dass sich zwei Bundesländer per Beschluss auf ein Leitbild verständigt haben. Erstmals dokumentieren Brandenburg und Berlin verbindlich, dass sie sich als gemeinsame Metropol- und Wirtschaftsregion begreifen. Nach diesem Startschuss wird im jetzt folgenden Prozess das Leitbild mit Leben erfüllt. Hier ist noch eine ganze Menge guter Ideen gefragt. Die gemeinsamen Kabinettsitzungen der Landesregierungen von Brandenburg und Berlin legen jeweils ganz konkrete Schritte der Zusammenarbeit fest. Wir setzen auf die gemeinsame Vermarktung der Region, auf gemeinsame Investorenwerbung, auf gemeinsame Außenwirtschaftsaktivitäten. Die beiden Wirtschaftsfördergesellschaften - ZAB und Berlin Partner GmbH - sollen bis 2008 zusammengeführt werden. Die Entwicklung einer Business-Marke für die „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ ist fortgeschritten. Die Ausarbeitung einer länderübergreifenden Akquisitionsstrategie durch ZAB und Berlin Partner geht mit der Bildung gemeinsamer Teams für die Investoren in Europa und darüber hinaus einher. Die Förderrichtlinien für die Außenwirtschaft und die Messeförderung werden harmonisiert. In der Summe tragen die genannten Einzelmaßnahmen dazu bei, uns in Europa als die eine Metropolregion Berlin-Brandenburg zu präsentieren. 3. Europa in Brandenburg Was für Brandenburg gilt, gilt unter den Bedingungen globalisierter Märkte auch für Europa insgesamt. Wir müssen uns in der Welt behaupten. Das darf aber nicht heißen, soziale Errungenschaften in Europa über Bord zu werfen, ganz im Gegenteil: Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dieses soziale Europa, das auch ein Stück Kultur auf unserem Kontinent darstellt, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen – mit angelsächsischen, mit skandinavischen und mit anderen Modellen - im globalisierten Wettbewerb weiter auszubauen, zu bewahren und zu einem Standortvorteil zu formen. Wir müssen heute in globalen Maßstäben denken und gleichzeitig die europäische Wirtschaftspolitik im Land, in den Regionen, in den kleinsten Einheiten umsetzen. Es kommt darauf an, europäische, nationale und Landespolitik für Wachstum, Beschäftigung und Innovation noch viel besser als bisher miteinander zu verzahnen. Europa spielt heute in fast allen Lebensbereichen eine wichtige, manchmal – gewollt oder nicht gewollt - die entscheidende Rolle. Beschlüsse aus Brüssel und Straßburg – wir spüren es immer öfter - betreffen längst jeden Einzelnen. Daher müssen wir dringender denn je sicherstellen, dass die regionalen und Landesinteressen frühzeitig und wirksam in den Brüsseler Entscheidungsprozess eingebracht werden. Die EU ist ihrerseits in vielen Schlüsselbereichen, wie zum Beispiel der erneuerten Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung, auf die aktive Mitwirkung und die dauerhafte Umsetzung ihrer Entscheidungen durch die Mitgliedstaaten, die Länder und die Regionen angewiesen. Bei der Förderpolitik, der Programmierung der Strukturfondsmittel, der Erhöhung der Forschungsausgaben, der Bildungs-, Innovations- und Wissenschaftspolitik ist das Ineinandergreifen europäischer, nationaler und Landespolitiken der Schlüssel zum Erfolg. Mit der Neuausrichtung der Förderstrategie haben wir unsere Förderpolitik entsprechend den Lissabon-Zielen auf Zukunftsfelder konzentriert. Wir haben außerdem Maßnahmen eingeleitet, um die Fördermittel der neuen Periode 2007 bis 2013 im Sinne der Lissabon-Strategie zu strukturieren. Wir haben weitere in die Zukunft weisende Schritte eingeleitet. Dies gilt für die Erschließung und Förderung von Unternehmenspotenzialen, insbesondere bei kleineren Unternehmen, ebenso wie für die Stärkung der Humanressourcen. Gerade bei Innovation und Forschung hat sich die Strategie eines zupackenden Landes bewährt. Die Mittelstandsförderung wird verstärkt, Forschungsausgaben werden erhöht. 4. Wie geht es weiter? Das Ziel, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Regionalen Wachstumskernen zu stärken, um dadurch höhere Wachstumseffekte zu erzielen und so ein Plus an Arbeitsplätzen zu erreichen, kann nur durch eine langjährige Unterstützung erreicht werden. Wir brauchen langen Atem. Die Neuausrichtung der Förderpolitik ist deshalb auf Dauer angelegt. Darin ist sich die Landesregierung einig und daran wirken alle Ressorts mit. Das Kabinett hat die Interministerielle Arbeitsgruppe deshalb gebeten, den Dialog mit den Wachstumskernen fortzusetzen und im Herbst 2007 über den Stand der Umsetzung zu berichten sowie weitere Vorschläge für zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen zu unterbreiten. Dies wird auch in den Folgejahren fortgeführt. Eine Evaluation der Wirkungen ist erst zu einem Zeitpunkt sinnvoll, zu dem die Maßnahmen wirklich greifen. Wir beabsichtigen aber, im kommenden Jahr genau dafür Kriterien zu erarbeiten. Den interministeriellen Koordinierungsprozess und die Kooperation mit den Regionalen Wachstumskernen werden wir bis Ende 2008 überprüfen. Wir sind überzeugt: Der eingeschlagene Weg ist richtig. Diese Zwischenbilanz berechtigt zu realis-tischen Hoffnungen, wenn wir jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Das alles ist der Anfang. Mit dieser Förderpolitik stehen wir heute im Osten nicht schlecht da. Im Jahresbericht der Bundesregierung wird der Brandenburger Ansatz "Stärken stärken" ausdrücklich als Zukunftskonzept hervorgehoben. Dasselbe gilt für die Strategie, sektorale und regionale Schwerpunkte der Förderung zu bilden. Zugleich wird in dem Bericht hervorgehoben, auch das ist eine wichtige Facette, dass dabei die ländlichen Räume eben nicht vernachlässigt werden. Dieser Aspekt ist der Landesregierung wichtig. Konzentration von Förderung heißt eben nicht, dass in der Fläche gar nichts mehr passiert. Die Wachstumskerne sind von Schwedt bis Spremberg über ganz Brandenburg verteilt, auch im ländlichen Raum. Dort sollen sie ihre Strahlkraft ins Umland entfalten und Perspektiven bieten. Im ländlichen Raum wird es auch weiterhin Fördermöglichkeiten geben, denken wir nur an die Förderprogramme des MLUV zur ländlichen Entwicklung, die künftig noch stärker unter dem Aspekt der Schaffung von Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Ich denke auch an die Förderung von Branchenkompetenzfeldern wie Holz- und Ernährungswirtschaft, Energie und Tourismus, für die der ländliche Raum ganz besondere Potenziale bietet. Klar muss aber auch, dass der Ausbau der Infrastruktur sich künftig auf die Regionen konzentrieren muss, in denen Wachstum und Beschäftigung für unser Land zu erwarten sind. Hier wird es in Zukunft eine noch engere Verzahnung von Wirtschafts-, Bildungs- und Stadtentwicklungspolitik geben. Der vom Kabinett beschlossene Masterplan Stadtumbau ist uns hierbei Wegweiser. Der sorgsame Umgang mit den immer knapperen Haushaltsmitteln, die Anstrengungen, das Beste aus dem immer weniger werdenden Geld zu machen - das ist unsere Verpflichtung gegenüber kommenden Generationen. Dieser Verpflichtung werden wir mit der neuen Förderpolitik besser gerecht! Der Grundstein ist gelegt. Jetzt kommt es darauf an, das Begonnene zielstrebig zu gestalten. Meine Damen und Herren, wir werden jedoch nicht erfolgreich sein, wenn wir nicht gleichzeitig unsere Anstrengungen in Wissenschaft und Bildung ausbauen. In Forschung und Bildung der ostdeutschen Länder stecken mittlerweile Investitionen in Milliardenhöhe, gut getätigte Investitionen, weil sie dazu geführt haben, dass Zentren der Spitzenforschung entstanden. Erneut ist der wichtigste und mit 2,5 Mio. € dotierte Leibniz-Preis an einen Brandenburger Wissenschaftler, an Professor Dr. Haug, verliehen worden. Hier müssen wir anknüpfen, denn in Köpfe zu investieren, ist die wichtigste Investition für die Zukunft. Nur bestens ausgebildete Menschen sind die Garantie für den Bestand und die Weiterentwicklung sowohl der demokratischen Gesellschaft als auch für den wirtschaftlichen Fortschritt. In Zukunft wird noch mehr als bereits heute gelten: Qualifikation, Kreativität und Bildung sind die Hauptanforderungen für eine vernünftige Gesellschaftsentwicklung. Wachstum und Wissenschaft, Bildung und Beschäftigung werden in Zukunft ausschließlich miteinander zu haben sein. Wir brauchen eine enge Verzahnung und ein gutes Miteinander von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, um den Technologietransfer in die Praxis deutlich zu stärken. Im Zeitalter des Lernens sind qualifizierte Arbeitskräfte ein entscheidender Standortfaktor. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Standortfaktor „hohen Qualifikationsniveaus“ für uns erhalten bleibt. Er wird zunehmend Attraktivität entfalten. Die Zukunft Deutschlands liegt in wissensintensiven Produkten und Dienstleistungen. Es gibt keine Alternative zu einer auf modernem Human- und Sachkapital beruhenden Wirtschaftsstruktur, die in stärkerem Maße als heute exportfähig ist. Nur so kann es uns gelingen, Arbeitslosigkeit abzubauen und der Abwanderung entgegenzuwirken. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss aus einer Meldung einer großen Nachrichtenagentur zitieren, die gestern Abend hier hereinkam und die das Jahr 2006 in Brandenburg beschreibt: „Das Jahr 2006 bringt viele gute Nachrichten. Die Arbeitslosigkeit sinkt auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Jahrzehnts. Die Zahl der Jobs steigt. Im ersten Halbjahr führen brandenburgische Unternehmen Waren im Wert von fast 4 Mrd. Euro aus, so viel wie im gesamten Jahr 2000. Frankfurt entwickelt sich zur Hauptstadt der Solarindustrie. In Potsdam wird das neue Theater eröffnet. Das Bundesverwaltungsgericht genehmigt den Ausbau des Airport Schönefeld zum Großflughafen Berlin-Brandenburg; die ersten Bagger sind angerollt. Der Triebwerksspezialist MTU Ludwigsfelde sichert sich einen Großauftrag über eine Viertelmilliarde Euro. Der Schienenfahrzeughersteller Bombardier erhält die Option zum Bau von mehr als 100 Straßenbahnen.“ Und dann setzt die Meldung fort: „Was macht die rot-schwarze Regierung mit so vielen guten Nachrichten? Sie vermasselt die Bilanz durch interne Affären, erst die CDU, dann die SPD.“ Meine Damen und Herren, das stimmt leider; das kann man nicht anders beschreiben. Dafür tragen meine Mannschaft und ich selber auch Mitverantwortung. Bei den Menschen, die dadurch Zweifel an der Seriosität und der Integrität unserer Politik bekommen haben, entschuldige ich mich ausdrücklich. Wir haben aus den Vorgängen gelernt, und ich verspreche Ihnen, dass wir 2007 mit aller Kraft nur an einem arbeiten werden: ihr Vertrauen wiederzugewinnen und unser Land auf dem eingeschlagenen und, wie gerade noch einmal anhand der Meldung beschrieben wurde, erfolgreichen Weg weiter voranzubringen. 2006 war ein gutes Jahr, 2007 soll ein noch besseres werden. Dafür werden wir arbeiten.