Staatskanzlei

Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen

veröffentlicht am 19.04.2015

Mit einer Gedenkveranstaltung und einer Kranzniederlegung wurde am heutigen Sonntagnachmittag in der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen an die Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen vor 70 Jahren erinnert und der Opfer gedacht. An der Veranstaltung nahmen mehr als 70 Überlebende aus zahlreichen Ländern teil. Bei der Gedenkveranstaltung am ehemaligen Tötungsort „Station Z“ sprachen der Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees, Roger Bordage, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und der israelische Überlebende Saul Oren zu den Anwesenden..

Unter ihnen befanden sich der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, die norwegische Verteidigungsministerin Ine Marie Eriksen Søreide, der französische Staatsminister für Finanzen, Christian Eckert, der ungarische Staatssekretär für Angelegenheiten der Europäischen Union, Szabolcs Takacs, die Präsidentin des Landtages Brandenburg, Britta Stark, die brandenburgische Kulturministerin Sabine Kunst, der brandenburgische Justizminister Helmuth Markov, der brandenburgische Innenminister Karl-Heinz Schröter sowie zahlreiche Botschafter, Parlamentarier und Repräsentanten des öffentlichen Lebens.

Der Präsident des Internationalen Sachsenhausen Komitees, Roger Bordage, erklärte: „Wir, die Gefangenen in dieser Hölle, haben niemals unseren Glauben an eine bessere, solidarische und friedliche Zukunft verloren. Wir haben stets auf ein demokratisches, friedliches und tolerantes Europa gehofft. Dennoch kommen wir nicht umhin, eine stetige Zunahme extremistischer Bewegungen zu verzeichnen. Gleiches gilt für die Wiederkehr von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Gewalt, Antisemitismus, religiösem Fundamentalismus oder gegenwärtig sogar der Vernichtung des Anderen im Namen der Religion. Aus diesem Grund werden wir, die Überlebenden, niemals darin nachlassen, den jungen Generationen Europas die Geschichte dieser Orte des KZ-Terrors zu erzählen und über die hier erlittenen Qualen Zeugnis abzulegen.“

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte: „Die mehr als 70 Überlebenden des KZ Sachsenhausen, die sich heute der Konfrontation mit diesem schrecklichen Ort und den hier erfahrenen Qualen stellen, sind eine lebendige Mahnung für uns Nachgeborene. Heute gilt es, besonders junge Menschen dafür zu sensibilisieren, rassistischen und antisemitischen Strömungen entschlossen entgegen zu treten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sich wieder einen Platz in unserer Gesellschaft erobern. Vielmehr geht es darum, Empathie zu zeigen gegenüber Menschen, die schreckliches Leid hautnah erleben mussten. Ich spreche von den Flüchtlingen, die uns aus den Krisen- und Kriegsgebieten in immer größer werdender Zahl erreichen. Wir müssen diesen Menschen helfen. Das gebietet schon allein die Nächstenliebe.“

Der israelische Überlebende Saul Oren, der im August 1943 zusammen mit zehn weiteren Kindern aus Auschwitz in das Konzentrationslager Sachsenhausen kam und dort Opfer medizinischer Versuche wurde, berichtete: „Sieben Wochen nach unserer Ankunft im Krankenrevier des KZ Sachsenhausen bekamen wir Besuch von dem Wehrmachtsoffizier, der uns an der Rampe von Auschwitz ausgewählt hatte. Er stellte sich als Dr. Dohmen vor und teilte uns mit, dass er an uns medizinische Versuche durchführen würde. Endlich wussten wir, dass wir dazu bestimmt wurden, Versuchskaninchen zu sein. Er erteilte unverzüglich den Befehl, mit den Versuchen zu beginnen: Wir wurden fotografiert, man spritzte uns geheime Substanzen und es wurden Untersuchungen durchgeführt, um festzustellen, wie unsere Körper auf all das reagierten“. Dank der Hilfe norwegischer Mithäftlinge überlebten die elf Kinder die KZ-Haft.

Ab 1936 errichtete die SS am Stadtrand von Oranienburg das Konzentrationslager Sachsenhausen. Als Modell- und Schulungslager in unmittelbarer Nähe der Reichshauptstadt nahm Sachsenhausen eine Sonderstellung im System der Konzentrationslager ein. Ab 1938 befand sich in Oranienburg die Verwaltungszentrale der SS für sämtliche Konzentrationslager. Bis 1945 waren im KZ Sachsenhausen 200.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert, Zehntausende von ihnen kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer von systematischen Vernichtungsaktionen der SS. Auf den Todesmärschen Ende April 1945 starben noch einmal mehr als 1.000 Häftlinge. Etwa 3.000 im Lager zurück gebliebene Häftlinge wurden am 22./23. April von sowjetischen und polnischen Soldaten befreit.