Staatskanzlei

Regierungserklärung von Ministerpräsident Platzeck: Erneuerung aus eigener Kraft

veröffentlicht am 27.10.2004

Ministerpräsident Matthias Platzeck hat heute im Landtag die Leitlinien der neuen Landesregierung erläutert. In seiner Regierungserklärung machte er deutlich, dass Brandenburg und Berlin künftig zu den erfolgreichen und dynamischen Regionen Europas zählen können, wenn sich das Land seiner eigenen Potenziale und Kräfte bewusst wird, möglichst viele Menschen einbezogen werden und die Schwerpunkte der Arbeit konsequent auf Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft sowie die Bewältigung des demografischen Umbruchs gelegt werden. Bis zum Auslaufen des Solidarpakts 2019 müsse das Land finanziell auf eigenen Beinen stehen. Platzeck versprach, die Landesregierung werde alles daran setzen, dass Brandenburg künftig auf keinem Gebiet hinter seinen Möglichkeiten zurückbliebt. Alle verantwortungsbewussten Kräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssten dafür konstruktiv zusammenarbeiten. Der Ministerpräsident nannte sieben Trends, denen sich das Land stellen müsse: erstens die demografische Entwicklung; zweitens der wirtschaftliche Strukturwandel in Gestalt von Globalisierung, Rationalisierung und mangelndem Wachstum; drittens der Wandel der Arbeitswelt und die langfristige Krise des Arbeitsmarktes; viertens die Krisen des Sozialstaates und der öffentlichen Haushalte; fünftens die Probleme der Vereinigung im Osten; sechstens die unbestreitbaren Funktionsdefizite der politischen Institutionenordnung; siebtens die „Deutsche Krise der Selbsterkenntnis“, die bei vielen noch immer fehlende Einsicht in die schwierige Situation, in die Deutschland geraten ist. Wir müssen möglichst viele Bürger einbeziehen, wenn der Aufbruch gelingen soll. Platzeck betonte, die Erneuerung in schwierigen Zeiten setze Ehrlichkeit, Vertrauen und gegenseitigen Respekt voraus. Platzeck: „Sie kann nur da gelingen, wo Politiker Tag für Tag aufs Neue das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen, wo Politiker bereit sind, immer wieder zuzuhören und zu erklären.“ Platzeck appellierte an politische Verantwortungsträger, den Mut aufzubringen, „auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn sie nötig sind, und mit dem Gesicht zu den Menschen zu begründen. Diese Kultur des Dialogs setzt aber auch die Bereitschaft voraus, zuzuhören und miteinander zu sprechen, von Vorurteilen und schnellen Antworten Abstand zu nehmen.“ Im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen die Themen Wirtschaft, Bildung, Wissenschaft sowie die Bewältigung des demografischen Umbruchs. Diese Felder entscheiden nach Worten Platzecks darüber, ob Brandenburg eine lebenswerte Heimat für seine Bürger darstellen könne. Er mahnte, diese Bereiche in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit voneinander zu begreifen. „Gerade weil die Verbesserung der Voraussetzungen für Investitionen und Beschäftigung, vor allem aber die Förderung von Selbstständigkeit, in Brandenburg für die Koalition höchste Priorität hat, werden hervorragende Bildung und Ausbildung, leistungsstarke Forschung und der Transfer von zeitgemäßem Wissen in hochwertige Produkte und Dienstleistungen zu den zentralen Anliegen der Landesregierung zählen.“ Damit wüchsen jedoch auch die Anforderungen an eine „Regierungspolitik aus einem Guss“. „Reibungsverluste, unnötige Kompetenzüberschneidungen, unverbundenes Nebeneinander oder Ressortegoismen können wir uns angesichts begrenzter und weiter schrumpfender finanzieller Mittel nicht mehr leisten.“ Wir finden uns mit Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit nicht ab. Alle Wirtschaftsförderprogramme müssen laut Platzeck streng an Wachstum und Innovation sowie an den Kriterien der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet werden. Nötig sei die zielgenaue Konzentration auf zukunftsfähige ökonomische Branchen und Kompetenzfelder. Platzeck bekannte sich zu konsequenter Deregulierung und Entbürokratisierung und betonte die besondere Förderung mittlerer und kleiner Unternehmen. Strategische Bedeutung misst Platzeck der nachhaltigen Verbesserung des Wissenstransfers in die Wirtschaft bei. Er verwies auf die einzigartige Dichte von Forschungsinstitutionen in der Region. Als wichtigstes Strukturprojekt und Motor der Entwicklung nannte Platzeck den Flughafen BBI, der daher energisch vorangetrieben werde. Unsere Kinder haben Anspruch auf erstklassige Bildung. Der Ministerpräsident betonte das Festhalten an den hohen Kitabetreuungsstandards. Der Bildungsauftrag in den Kitas werde stärker betont. Platzeck weiter: „Mit der Einführung der Oberschule schafft die Regierungskoalition ein klares, übersichtliches und demografietaugliches Schulsystem für die Jahrgangsstufen 7 bis 10, das die Voraussetzungen für qualitativ hochwertigen Unterricht für alle Schüler in allen Regionen unseres Landes schafft. Die allgemeine Hochschulreife wird an Gymnasien nach zwölf Jahren erreicht. Wir wollen die Qualität von Schulen durch mehr Selbstständigkeit und mehr Selbstverantwortung steigern.“ Bürgerschaftsengagement ist das Rückgrat des demokratischen Gemeinwesens. Platzeck kündigte an, dass die neue Landesregierung in der Staatskanzlei eine Koordinierungsstelle schaffen wird, die sich systematisch um den Ausbau und die Aufwertung von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement kümmern werde. Eine starke, aktive und intakte Bürgergesellschaft sei die beste Versicherung gegen jede Form von Extremismus. Der Bekämpfung des Rechtsextremismus komme herausragende Bedeutung zu. Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ werde weiterentwickelt. Aufgabe ist es, intelligente Lösungen für Lebensqualität im ländlichen Raum zu finden. Platzeck nannte es Ziel allen politischen Handelns, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicherzustellen. Die demografische Entwicklung könne nicht kurzfristig umgekehrt werden. Die Landespolitik müsse aber alles tun, um ihre negativen Folgen zu mindern. „Hierzu brauchen wir den Stadtumbau und die Instrumente der Stadtentwicklung, um die Städte als Anker im ländlichen Raum und als Kristallisationskerne für Entwicklung zu stärken. Die ländlichen Räume müssen als Wirtschafts-, Sozial-, Natur- und Siedlungsräume weiter entwickelt werden. Dazu werden wir im Sinne einer Politik der integrierten ländlichen Entwicklung Fördermöglichkeiten innerhalb der Landesregierung umfassend verfügbar machen.“ Für entscheidend hält Platzeck die Stärkung und Stabilisierung landwirtschaftlicher Unternehmen. Die Agrarwirtschaftsinitiative Brandenburg werde von der Landesregierung unterstützt. Zum eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung gibt es keine Alternative. Als Eckwerte nannte der Ministerpräsident: „Die Nettokreditaufnahme soll – die derzeitige Steuerprognose unterstellt – bis spätestens 2010 auf Null reduziert sein und um 175 Mio. Euro jährlich verringert werden.“ Das bedeute, dass an vielen Stellen Einschnitte vorgenommen werden müssen und auf manche Förderung verzichtet werden muss. Platzeck: „Und trotzdem werden wir uns nicht handlungsunfähig kürzen. Insbesondere die Schwerpunktfelder der Koalition – Wirtschaft und Arbeit, Bildung und Wissenschaft - werden ausreichend ausgestattet sein. Wir müssen uns zwingen, die Förderprogramme noch besser aufeinander abzustimmen, um möglichst hohe Effekte zu erzielen.“ Die Prioritätensetzung sei verstärkt darauf gerichtet, welche Aufgaben das Land zwingend wahrnehmen muss, welche es selbst erfüllen will und bei welchen es wirtschaftlicher oder sinnvoller ist, sich Dritter bei der Aufgabenerfüllung zu bedienen. Begleitet von Modernisierungsmaßnahmen in der Landesverwaltung werde der Personalbestand bis 2009 auf 51.000 Stellen sozialverträglich abgebaut. Wir halten an einem Zusammenschluss von Berlin und Brandenburg fest. Aber ein zweiter Fehlschlag bei einem Fusionsanlauf würde dauerhaft das Aus für ein gemeinsames Land bedeuten. Platzeck machte deutlich, dass vor einer erneuten Volksabstimmung Klarheit über die Finanzperspektive Berlins bestehen müsse. Anderenfalls sei mit einer Zustimmung der Brandenburger nicht zu rechnen. Der Ministerpräsident setzte sich dafür ein, unabhängig von der Fusionsfrage die konkrete Zusammenarbeit in Form von Projekten zu forcieren. „Die Erfolge in der praktischen Zusammenarbeit bestimmen das Zusammenwachsen von Berlin und Brandenburg.“ Platzeck schloss: „Zu Recht erwarten die Brandenburgerinnen und Brandenburger gerade in dieser schwierigen Phase von ihrer Landesregierung verantwortliche, zielgerichtete und zupackende politische Führung. Zu Recht erwarten sie klare Orientierung und klare Worte. Zu Recht erwarten sie Mannschaftsspiel und Zusammenhalt bei den Fraktionen und Parteien, die die neue Landesregierung tragen. Zu Recht erwarten sie konstruktive Kritik, Realismus und eigene Ideen von der großen Oppositionspartei im Brandenburger Landesparlament. Ich teile alle diese Erwartungen an die demokratischen Parteien dieses Landes, an die demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses und schließlich auch an mich selbst. Wir alle dürfen die in uns gesetzten Erwartungen nicht enttäuschen. Die neue Koalition aus SPD und CDU nimmt die Herausforderung der Erneuerung unseres Landes an.“ Regierungserklärung als PDF-Datei (124 kb)